Straße in Saudi-Arabien

Gesellschaftliche Herausforderungen im Nahen Osten

Wie wir bereits in den letzten Beiträgen sehen konnten, gibt es im Nahen Osten viele unterschiedliche Kulturen. Zum Teil haben die Länder aber auch mit ähnlichen Problemen, wie wir in Europa zu tun.

In diesem Beitrag geht es darum, mehr über die Kultur im Nahen Osten und den damit einhergehenden Problemen zu erfahren.

Alters- und Bevölkerungsstruktur

In den meisten Staaten des Nahen Ostens gibt es eine große junge Bevölkerung. Teils stellen Menschen unter 30 Jahre einen Bevölkerungsanteil von über 50 % dar.

Dieser große Anteil an jungen Menschen führt dazu, dass der jeweilige Staat vor einigen Herausforderungen steht.

So muss die Infrastruktur an die steigende Bevölkerung angepasst werden. Außerdem müssen neue Kindergärten, Schulen und Hochschulen gebaut werden. Gerade für ärmere Staaten stellt der Ausbau der Infrastruktur allerdings eine große finanzielle Belastung dar.

Denn die Steuereinnahmen sprudeln in vielen arabischen Ländern kaum. Hohe Arbeitslosigkeit, besonders in der Jugend, führt zu geringen Einnahmen für den Staat. Für den Staat ist es dadurch wiederum kaum möglich, ein ausreichendes Bildungsangebot für seine Bevölkerung zu schaffen.

Ganz anders sieht die Situation in den ölexportierenden Golfstaaten aus. Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate bieten Ihrer Bevölkerung ein sehr gutes Bildungsprogramm an. Dieses kann aber nur aufgrund der großen Öleinnahmen finanziert und aufrecht erhalten werden.

Die wachsende Bevölkerung stellt aber nicht nur in Sachen Bildung ein Problem dar. Denn der Bevölkerungsanstieg führt dazu, dass die ohnehin schon knappe Ressource Wasser noch knapper wird. Wasser ist in einer so trockenen Gegend wie dem Nahen Osten ein wertvolles Gut.

Im Nahen Osten wandert die junge Bevölkerung inzwischen mehr und mehr in die Städte ab. Ähnlich wie in Deutschland. In ländlichen Regionen kommt es so zu weiteren Problemen, da dort Arbeitskräfte und Know-How verloren gehen.

Wie kamen die steigenden Bevölkerungszahlen zustande?

Die Geburtenraten der 1960er- und 1970er-Jahre waren mit durchschnittlich 7 Kindern je Frau sehr hoch. Zudem sank in dieser Zeit die Kindersterblichkeit und gefährliche Krankheiten wie Cholera und Typhus konnten zurückgedrängt werden.

Erst ab 1980 fielen die Geburtenraten allmählich. Bis 2010 hat sich die Geburtenrate im Nahen Osten auf ca. 2,7 Kinder je Frau reduziert. Noch immer wächst die Bevölkerung in der Region stetig mit einem Wachstum von rund 2 %.

In vielen Staaten der Welt steht eine abnehmende Geburtenrate für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Da man von einer besseren medizinischen Versorgung, besseren Bildungschancen und einem veränderten Frauenbild ausgeht.

Im Nahen Osten spielt das Familienleben allerdings eine besonders große Rolle. So sehen sich Frauen in erster Linie als Ehefrau und Mutter. Karriere und Selbstverwirklichung sind für viele Frauen in der Region unwichtig.

Diese gesellschaftliche Einstellung führte dazu, dass trotz wirtschaftlicher Entwicklung, die Geburtenraten nur langsam sanken. Der Trend von der Großfamilie hin zu Kleinfamilien begann in den Städten und setzt sich nun auch langsam in ländlicheren Gebieten fort.

Das Bildungssystem

In der gesamten arabischen Region wird seit der Unabhängigkeit auf eine möglichst flächendeckende Bildung geachtet. So wurde beispielsweise die Schulpflicht eingeführt, Schulgebühren gesenkt oder abgeschafft und sogar Unterrichtsmaterialien kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies funktioniert allerdings nur in den wohlhabenden Staaten der Region, die viel Geld für die Bildung zur Verfügung haben.

Ziel der Regierungen ist es nicht bloß die Grundschulbildung für alle Kinder anbieten zu können, sondern auch eine Sekundär- und Hochschulbildung. Des Weiteren soll die Analphabeten-Quote bei allen Altersgruppen gesenkt werden.

Die Politik zeigt bereits erste Erfolge. So liegt die Einschulungsquote im Iran und in der Türkei bei fast 100 %.

Leider ist das Schulsystem aber bis heute nicht mit westlichen Standards vergleichbar. Der Unterricht ist meist von schlechter Qualität (gerade im Sekundär- und Hochschulbereich) und auch die beruflichen Perspektiven nach einem erfolgreichen Abschluss sind meist schlecht.

Gerade in der älteren ländlichen Bevölkerung ist die Analphabetenrate sehr hoch. Auch wenn hier durch entsprechende Schulungsprogramme ein Rückgang erzeugt werden konnte.

Ein Blick in den Unterricht der Schulen zeigt, dass dort Aspekte wie analytisches Denken und Kreativität stark vernachlässigt werden. Hauptsächlich wird lediglich Wissen abgefragt, aber nur wenig praktisch angewendet.

Auf den weiterführenden Schulen und Universitäten liegt der Fokus auf Geistes- und Sozialwissenschaften. Naturwissenschaften werden hingegen vernachlässigt.

Einige neuere Reformen verdeutlichen aber, dass die Regierungen bemüht sind diese Probleme im Bildungssystem zu überwinden. So möchte Ägypten beispielsweise ein duales Ausbildungssystem integrieren, nach deutschem Vorbild. In einer Welt, die immer mehr nach gut ausgebildeten Mitarbeitern verlangt, haben die Staaten keine andere Wahl, wenn den Bürgern eine Zukunftschance geboten werden soll.

Arbeitslosigkeit unter Jungendlichen

Zu den größten Herausforderungen vieler arabischer Länder zählt sicherlich die hohe Jugendarbeitslosigkeit von teils mehr als 20 %. Doch wer glaub, dass nur minderqualifizierte junge Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, der irrt.

Denn selbst Hochschulabsolventen finden in vielen arabischen Ländern nur schwer einen Job. Dies führt dazu, dass viele junge Leute keinen Sinn darin sehen einen Hochschulabschluss anzustreben, da die Chancen einen Job zu finden dennoch nicht besonders gut sind.

Urbanisierung – Vom Land in die Stadt

Die kleinen Golfstaaten Bahrain, Katar und Kuwait beherbergen fast ihre gesamte Bevölkerung (auch aufgrund ihrer geringen Größe) in Städten. Das krasse Gegenbeispiel ist der Jemen: Dort wohnen die meisten Menschen auf dem Land und nur die wenigsten in der Stadt.

Der Trends geht allerdings ganz klar hin zu den Städten. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bevölkerung in den Städten massiv erhöht. Besonders junge Leute zieht es in die Städte, da sie glauben dort bessere Jobchancen zu haben.

Die ländliche Bevölkerung lebt hauptsächlich von der Landwirtschaft, welche allerdings nur sehr geringe Einnahmen abwirft. Gerade dann, wenn man sich beispielsweise die hochmodernen Agrarflächen in den USA ansieht. Da kann kein Landwirt im Nahen Osten mithalten. Die Städte erschienen hierdurch für viele junge Menschen deutlich attraktiver.

Diese Urbanisierung führt dazu, dass sich riesige Metropolstädte bilden, die Millionen von Einwohner beherbergen. Kairo zählt mehr als 10 Millionen Einwohner, Teheran mehr als 8 Millionen und auch Istanbul ist zu einer Millionenstadt (ca. 14 Millionen Einwohner) herangewachsen.

Durch das rasante Bevölkerungswachstum in den Städten bilden sich Slums und es kommt zu Engpässen in der Versorgung. So sind Wohnungen oft Mangelware, selbst die Wasserversorgung und Müllentsorgung können teils nicht gewährleistet werden.

Versorgung mit Wasser und Umweltpolitik

Der Nahe Osten gehört zu den trockensten Regionen der Welt, wodurch die Versorgung mit Wasser von existenzieller Bedeutung ist. Die steigenden Bevölkerungszahlen führen zu einer weiteren Verknappung der ohnehin schon begrenzten Ressource Wasser.

Reiche Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate leisten sich riesige Meerwasserentsalzungsanlagen, um ihre Bevölkerung mit Trinkwasser zur versorgen. Für ärmere Staaten kommt dieser teuere Weg der Trinkwassergewinnung leider nicht in Frage.

Diese Wasserknappheit wurde durch eine wachsende Landwirtschaft in den wohlhabenden Golfstaaten verschärft. Die großen Öleinnahmen führten dazu, dass man auf die Idee kam, die heimische Landwirtschaft zu fördern. Ein völlig wahnsinniges Unterfangen, welches nur aufgrund des Ölexportes funktionieren konnte. Schließlich standen den Einnahmen aus der Landwirtschaft riesige Kosten entgegen, die entstehen, wenn in der Wüste Landwirtschaft betrieben wird.

Inzwischen findet aber selbst in den reichen Golfstaaten ein gewisses Umdenken statt, sodass sparsamer mit Süßwasser umgegangen wird. Wobei große Golfanlagen mitten in der Wüste noch immer von einer großen Wasserverschwendung zeugen.

Wasser als Mittel für politischen Druck

Die großen Flüsse in der Region (Nil, Euphrat, Jordan und Tigris) versorgen Millionen Menschen mit Süßwasser. Doch diese Flüsse durchfließen zum Teil mehrere Länder, sodass es schnell zu Konflikten rund um das begehrte Wasser kommen kann.

Der Euphrat beispielsweise entspringt in den Gebirgen der Türkei und fließt dann durch Syrien und dem Irak. Da die Türkei am Oberlauf des Flusses sitzt, befürchtet der Irak und Syrien, dass die Türkei das meiste Wasser des Euphrat entnehmen könnte.

Zwar gibt es Abkommen, dass die Türkei nicht allzu viel Wasser aus dem Fluss entnimmt, doch hat die türkische Regierung riesige Staudämme gebaut, die theoretisch so viel Wasser entnehmen könnten, dass Syrien und Irak unter der Wasserverknappung leiden würden.

Wasser stellt in der Region also ein mächtiges Instrument zur Ausübung politischer Macht dar.

Der Jordan

Ein anderes Beispiel für die Instrumentalisierung von Wasser ist der Jordan. Der Jordan fließt entlang der Grenze zwischen Jordanien und Israel (bzw. Westjordanland).

Zwischen Israel und Jordanien besteht seit 1994 ein Abkommen, welches die Wasser Nutzung des Jordans dieser beiden Länder regelt. Doch zwischen Israel und dem Westjordanland herrscht ein Konflikt bezüglich der Wassernutzung des Jordan.

Auf palästinensischer und europäischer Seite wird immer wieder Kritik an der Wasserpolitik Israels geübt. In den trockenen Sommermonaten verfügen viele Palästinenser im Westjordanland über so wenig Wasser, dass es nicht mehr zum Kochen oder Waschen reicht.

Auf der anderen Seite hingegen verschwenden viele Israelis Wasser für ihre Gärten, Pools oder die Landwirtschaft.

Der Grund für diese Ungerechtigkeit liegt darin, dass das Grundwasser im Westjordanland von Israel kontrolliert wird. Seit der Besatzung dürfen Palästinenser nicht mehr unbegrenzt Wasser entnehmen. Es gibt feste Quoten und auch das Bohren von neuen Brunnen ist nur mit einer Genehmigung möglich.

Desertifikation

Durch die Wasserknappheit kommt es aber noch zu weiteren Problemen in der Region.

So breiten sich die Wüstengebiete immer weiter aus. Dieses Phänomen wird Desertifikation genannt. Hierdurch verschwindet der fruchtbare Boden und auch die Tier- und Pflanzenvielfalt nimmt ab.

Die Desertifikation wird durch verschiedene Faktoren verursacht. Hauptfaktoren sind die wachsende Bevölkerung und der steigende Wasserbedarf Pro-Kopf.

Gerade die Landbevölkerung leidet unter dem Wassermangel, da in ländlichen Gebieten die Wasserversorgung besonders kritisch ist.

Die Müllentsorgung stellt in einigen Millionen Städten ebenfalls ein gewaltiges Problem dar. Oftmals wissen die Behörden gar nicht wohin mit dem Müll. Zudem fehlen Transportsysteme, um den Müll entsprechend zu verwerten und abzutransportieren.

Hoffnung geben zumindest einige Großprojekte in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort sollen ganz Städte entstehen, die völlig ohne CO2-Emissionen auskommen sollen.

Die Rolle der Frau im Nahen Osten

Die Frauenrechte in den arabischen Staaten sind immer wieder Diskussionsthema, auch in den deutschen Medien. Im Folgenden wollen wir uns  näher ansehen, wie die Frau in der arabischen Gesellschaft lebt.

Schauen wir uns zunächst die Schuldbildung von Frauen und Mädchen an.

Hier fällt auf, dass innerhalb der arabischen Ländern die Bildung von Frauen unterschiedlich gut abschneidet.

Im Iran und im Libanon sind die Einschulungsraten von Jungs und Mädchen fast gleich. Im Jemen hingegen werden ca. 20 % weniger Mädchen als Jungs eingeschult. In dem Land besuchten 2010 ca. 290.000 Jungen und 570.000 Mädchen keine Grundschule. Im Jemen haben Mädchen also deutlich schlechtere Ausbildungschancen als Jungs.

Auch bei der Berufstätigkeit fällt auf, dass sehr wenige Frauen im Nahen Osten einen Beruf haben. Noch immer ist der Mann der Haupternährer einer Familie. Frauen, die einen Job haben, arbeiten meist im öffentlichen Bereich, in der Regel im Gesundheitssektor.

In Marokko oder Tunesien, wo im Bereich der Textilbranche viel exportiert wird, arbeiten Frauen oft als billige Arbeitskräfte mit einem mickrigen Stundenlohn.

Die Politik in den meisten arabischen Staaten wird fast ausschließlich von den Männern dominiert. Es gibt in den meisten arabischen Staaten kaum weibliche Abgeordnete. Der Einfluss in der Politik ist für Frauen also verschwindend gering. Allerdings gibt es auch hier positive Entwicklungen und es scheint so, dass die Frauen an politischer Macht gewinnen, wenn auch sehr langsam.

Die Frau innerhalb der Familie

Es wird hitzig über neue Gesetze, welche die Stärkung der Frau betreffen, diskutiert. Denn traditionell werden in der arabischen Kultur Männer und ältere Menschen gegenüber Frauen oder jüngeren Menschen bevorzugt. So muss sich eine Frau, die einen Mann heiratet, der Familie des Mannes anschließen, wo dann der Schwiegervater die Familie führt. Der älteste Mann einer Familie ist also der Patriarch.

Von Frauen wird sogar erwartet, dass sie sich allen männlichen Mitgliedern einer Familie unterordnen. Junge Frauen müssen außerdem den Anweisungen von älteren Frauen aus der Familie Folge leisten.

Dieses veraltete Familienmodell wird allerdings mehr und mehr in Frage gestellt. Es gibt immer mehr junge Menschen, die dieses Modell ablehnen und mehr Selbstbestimmung verlangen.

In vielen Regionen des Nahen Ostens dürfen Frauen kaum alleinige Entscheidungen treffen. In Sachen Eheschließung, Scheidung oder der Berufstätigkeit muss eine Frau die Einwilligung eines männlichen Verwandten einholen.

Innerhalb der arabischen Staaten unterscheiden sich die Rechte der Frau allerdings stark. In Saudi-Arabien herrscht so zum Beispiel in der Öffentlichkeit die Geschlechtertrennung und der Ehemann hat die Vormundschaft seiner Frau. Frauen ist es zudem verboten ein Auto zu fahren.

In anderen Ländern, wie zum Beispiel Tunesien, werden Frauen (zumindest in der Theorie) gleiche Rechte in Sachen Bildung, Wahlrecht und bei der Jobsuche eingeräumt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechte der Frau in der Region entwickeln. Es deutet allerdings einiges daraufhin, dass den Frauen nach und nach mehr Rechte eingeräumt werden, selbst im sehr konservativen Saudi-Arabien. Dieser Prozess benötigt allerdings viel Zeit.

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