Was ist der Nahe Osten?

Wenn man über Politik diskutieren möchte, ist es wichtig, dass man zu den jeweiligen Themen ein fundiertes Hintergrundwissen besitzt.

Und genau darum geht es in diesem Beitrag. Ich möchte dein Hintergrundwissen erweitern und natürlich auch mein eigenes, denn lerne ich während ich diesen Beitrag schreibe eine Menge neuer Dinge dazu.

Nun geht es aber los, mit dem Nahen Osten.

Der Begriff „Naher Osten“

Es gibt viele verschiedene Begriffe für den Nahen Osten, die häufig synonym verwendet werden: „Orient“, „Mittlerer Osten“, „Arabische Welt“ etc.

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Die Belagerung Wiens

Interessanterweise wurde der Begriff „Abendland“ im Jahre 1529 sehr stark mit Angst assoziiert. Denn die Türken hatten den Balkan erobert und waren gerade dabei Wien zu belagern.

Die „Türkenangst“ nahm aber wieder ab, als die zweite Belagerung Wiens durch die Türken 1683 gescheitert war.

Nun wurde der Orient idealisiert. Besonders die Kunst und Architektur in der Region genoss im damaligen Europa hohes Ansehen.

Der Orient wurde mit Begriffen wie Exotik, Genuss, Sinnlichkeit, Weisheit und verfeinerter Kultur verbunden.

Diese Idealisierung stand allerdings in einem heftigen Gegensatz zum aufkommenden Imperialismus der europäischen Staaten.

Nach und nach führte der aggressive Imperialismus leider dazu, dass sich die Wahrnehmung der Menschen auf den Nahen Osten wandelte. Vorurteile und Verzerrungen prägten das Bild der Menschen, wenn sie an den Orient dachten.

Eine zu komplexe Region, um alle in einen Topf zu stecken

Der nahe Osten ist damals wie heute viel zu komplex, um alle Einwohner der Region mit dem Etikett „Orientalen“ zu brandmarken.

Anders als wir es vielleicht in Europa kennen, definieren sich die Menschen im Nahen Osten durch Ihre Familien, Clangemeinschaften und ethnische bzw. konfessionelle Verbindungen.

Das Nationalgefühl bei den Menschen in der Region hat sich erst nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches im Jahre 1922 allmählich entwickelt.

Doch die unterschiedlichen Religionsgruppen und ethnischen Gruppierungen führten dazu, dass ein gemeinsames Nationalgefühl vielen Menschen im Nahen Osten fehlt.

Überraschenderweise fühlten sich die Menschen im damaligen osmanischen Reich, trotz der Erfahrung blutiger Kreuzzüge zuvor, mit Europa in gewisser Weise verbunden.

Diese Verbundenheit erfuhr aber ein jähes Ende als Frankreich und Großbritannien im 19. und 20. Jahrhundert ihre Kolonialherrschaft im Nahen Osten errichteten.

Die Menschen im Nahen Osten sahen diesen Imperialismus als grundlegende Unrechtmäßigkeit an.

Völlig willkürlich, wenn man ethnische Zugehörigkeiten beachtet, wurden Grenzen gezogen und so künstliche geografische Zuordnungen geschaffen.

Da Europa damals weder daran interessiert war Frieden in der Region zu schaffen, noch den Menschen selbst über die Grenzziehung mitzubestimmen lassen, wurde ein hochexplosives Spannungsfeld in der Region geschaffen.

Großen Religionsgruppen fehlt ein eigener Staat. Viele ethnische Minderheiten werden in ihren eigenen Ländern verfolgt. Doch leider fehlt das westliche Interesse hier für mehr Frieden in der Region zu sorgen.

Warum? Darauf werden wir in den nächsten Beiträgen noch zu sprechen kommen.

Ein kleiner Blick in die Geschichte

Kaum zu glauben, aber damals im Mittelalter war der Nahe Osten führend in Wissenschaft und Kunst. Während wir Europäer das Mittelalter als düster empfunden haben, war im Nahen Osten das Mittelalter die Blütezeit der Region.

Doch diese Blütezeit wurde schnell unterbrochen, als die blutigen Kreuzzüge der katholischen Kirche begannen. Diese Kreuzzüge töteten nicht nur Hunderttausende von Menschen, sondern zerstörten auch die führende Rolle der Region in Wissenschaft und Kunst.

Kreuzzüge im Nahen Osten
EroberungJerusalems2“ von User Captain Blood on de.wikipedia – Originally from de.wikipedia; description page is (was) here21:20, 19. Nov 2004 Captain Blood 1034 x 979 (302.021 Byte)20:30, 19. Nov 2004 Captain Blood 1036 x 1017 (418.878 Byte). Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.

Einige Zeit später kamen die europäischen Kolonialmächte in die Region und teilten diese unter sich auf.

Auch die USA und die damalige Sowjetunion engagierten sich außerordentlich stark in der Gegend. Leider in erster Linie militärisch, was der Region einen weiteren Schlag verpasste.

Europa und später auch Amerika spielen also eine wesentliche Rolle dabei, warum die Region heute eher rückständig in zahlreichen Bereichen ist.

Von wo bis wo reicht der Nahe Osten nach unserer heutigen Definition?

Laut unserer heutigen Definition reicht der Nahe Osten von Marokko im Westen über die arabische Halbinsel bis zum Iran im Osten. Im Norden schließt er zudem noch die Türkei ein.

Mit dieser Lage bildet der Nahe Osten eine wichtige Schnittstelle für die Kontinente Asien, Europa und Afrika.

Es gibt aber auch andere Definitionen, die Nordafrika nicht als Teil des Nahen Ostens bezeichnen.

Die Bedeutung des Nahen Ostens für Europa

Wichtig ist außerdem zu erwähnen, dass der Nahe Osten die Geburtsstätte dreier Weltreligionen ist: dem Islam, Judentum und Christentum.

Besonders Ägypten und Mesopotamien bilden zudem die Wiege der menschlichen Zivilisation.

Die folgende Karte gibt dir einen Eindruck davon, welche heutigen Länder Mesopotamien umfasste:

Karte Mesopotamien
Karte Mesopotamien“ von NordNordWest – self-made, usingGTOPO-30 Elevation Data by USGS. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.

Wie du siehst umfasste das damalige Mesopotamien Teile der heutigen Türkei, Syrien, dem Irak und sogar dem Iran. In genau dieser Region ist die menschliche Zivilisation entstanden.

Mit der Eröffnung des Suezkanals im Jahre 1869 konnte die Region ihre Bedeutung für die Weltwirtschaft deutlich steigern.

Das Erdöl

Für einen weiteren Schub der Wirtschaft in der Region sorgte die zunehmende Nachfrage nach Rohöl. Die fortschreitende Industrialisierung in Europa und den USA führte dazu, dass Rohöl für die verschiedensten Produkte benötigt wurde.

Sei es als Kraftstoff für Schiffe, Flugzeuge und Autos, zur Kunstoffproduktion oder für Öle und Schmierstoffe.

Durch die steigende Nachfrage wurde Rohöl zum wichtigsten Rohstoff der globalen Wirtschaft und zum wichtigsten Energieträger.

Man denke nur mal darüber nach, wenn die Welt auch nur einen Tag ohne Erdöl auskommen müsste. Keine Autos könnten fahren. Flugzeuge müssten am Boden bleiben und Schiffe könnten keine Waren transportieren.

Aber auch zahlreiche Wohnungen blieben kalt, denn aus Rohöl wird schließlich auch Heizöl gewonnen. Und zahlreiche andere Branchen müssten mit einer stockenden Produktion rechnen.

Kurz gesagt, unsere moderne Gesellschaft würde zusammenbrechen, zumindest zeitweise.

Dieses Szenario unterstreicht die wichtige Rolle des Nahen Osten für die gesamte Welt.

Nicht ohne Grund kämpften die Sowjetunion und die USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um die Vorherrschaft in der Region.

Die darauffolgenden Revolutionen und Umstürze, die oft wesentlich vom Westen oder auch von der Sowjetunion befeuert wurden, führten zu verschiedenen zwischenstaatlichen Kriegen.

Es lässt sich bereits hier festhalten, dass der Westen, also Europa und die USA aber auch die Sowjetunion einen großen Teil dazu beitrugen, dass die Region von einer hohen Instabilität geprägt ist.

Die Islamische Revolution

Länder außerhalb der Region haben für Chaos und Konflikte gesorgt, klar, dass die Bevölkerung sich von dieser westlichen Gesellschaft abgrenzen wollte.

Nach dem Sieg der „islamischen Revolution“ im Jahre 1979, kam eine politische Bewegung und Ideologie auf, die einen Kontrast zur westlichen Gesellschaft darstellen sollte.

Die ressourcenreiche Region wurde aufgrund von Fremdbestimmung in eine wirtschaftliche, wie auch politische Stagnation gefangen. Während sich westliche Staaten kontinuierlich weiterentwickelten, war der Nahe Osten von Stillstand im wirtschaftlichen und politischen Bereich geprägt.

Während bei uns die Demokratie zur Stabilität und somit auch zu Wirtschaftswachstum führte, entwickelten sich in den Staaten des Nahen Ostens oft autokratische Regierungsformen.

Fatal wirkt sich auch die Auswanderung vom Nahen Osten in andere Länder aus.

Besonders drastisch ist die Lage derzeit in Syrien und im Irak, wo hunderttausende Menschen sich Terror, Krieg und Zerstörung in Sicherheit bringen müssen.

Auch in anderen Ländern haben, besonders die oberen Bevölkerungsschichten erkannt, dass sie in anderen Ländern bessere Chancen haben. Durch diese Auswanderung geht den Ländern viel Know-How verloren.

Die Chancen gerade für junge und gebildete Menschen sind in Amerika, Europa oder auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten häufig deutlich besser, als in ihren eigenen krisengeschüttelten Ländern.

Viele Länder Europas weigern sich Flüchtlinge aufzunehmen, doch sind besonders Europa und die USA oftmals die stärksten Unterstützer autokratischer Regierungen gewesen und wesentlich an den Konflikten beteiligt. Sei es durch Befeuerung von Konflikten, Unterlassung von Hilfe oder sogar durch gezielte Umsturzversuche.

Die genaueren Zusammenhänge werde ich in kommenden Beiträgen noch detaillierter besprechen. Dieser Beitrag sollte zunächst einmal eine kurze Einführung in die Region Naher Osten darstellen.