Ägyptischer Präsident Gamal Abdel Nasser

Epoche der Autokraten im Nahen Osten

Nachdem die arabischen Staaten 1948 dem israelischen Militär unterlagen, löste diese Niederlage einen Schock in der arabischen Welt aus. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 wurde als Versuch der Europäer angesehen, ihren Einfluss in der Region wieder auszubauen.

Dieser Schock führte zu einigen Umstürzen in der Region. Denn die Bürger empfanden ihre eigenen Machthaber als Marionetten des Westens oder als unfähige Führer.

Militär als Anführer der Umstürze

Das Militär wurde oftmals zum Anführer der politischen Umstürze. So auch in Ägypten (1952) und im Irak (1958). Nachdem die dortigen Könige gestürzt und Republiken ausgerufen wurden, konnte die vollständige Unabhängigkeit von den Kolonialstaaten hergestellt werden.

In der Bevölkerung des Nahen Ostens galt das Militär als Modernisierer. Die Leute glaubten daran, dass das Militär neuen Wohlstand und politische Selbstbestimmung für die arabischen Staaten erreichen konnte.

In vielen westlichen Ländern, besonders in Europa, ist das Militär hingegen kein Symbol für Fortschritt. In Deutschland wird die Bundeswehr vielmehr als „Geldverbrennungsmaschine“ wahrgenommen, wie viele teure und gescheiterte Rüstungsprojekte bezeugen.

Während einige Staaten der Region nur durch Umstürze des Militärs die vollständige Unabhängigkeit erreichen konnten, wurden die Vereinigten Arabischen Emirate, der Oman und Bahrain ohne Umstürze von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen. Großbritannien war schlicht mit der Verteidigung seiner Landesteile am Golf personell und finanziell überfordert.

Die Republiken im Nahen Osten

Ziel der neugegründeten Republiken war es, durch wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung den Menschen einen höheren Lebensstandard zu geben.

Aus diesem Grund erklärten die neuen Republiken eine massive und schnelle wirtschaftliche Entwicklung zur obersten Priorität ihrer Regierungsführung. Dies sollte durch eine staatlich gelenkte Industrialisierung in die Realität umgesetzt werden.

Diese Art der Regierungsführung hatte zwei Folgen:

  1. Es wurden hauptsächlich Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler in die Regierung berufen. Selbst die neuen Präsidenten, die oft aus dem Militär stammten, gaben sich nun technokratisch.
  2. Der Staat dominierte nun die Wirtschaft und Gesellschaft. Das Individuum, wie auch die Bürgerrechte wurden weniger wichtig und teilweise sogar „mit den Füßen getreten“.

Diese beiden Aspekte waren die Grundlage für spätere autokratische Regierungen.

Gewaltenteilung in einer Demokratie

Demokratien zeichnen sich ganz wesentlich durch die Gewaltenteilung aus.

Die Regierung selbst stellt dabei die ausübende Gewalt (Exekutive) dar. Das Parlament als beschließende und gesetzgebende Gewalt (Legislative). Das Parlament ist schließlich die einzige Kraft, die neue Gesetze beschließen kann. Die dritte Gewalt, die rechtssprechende Gewalt (Judikative), sind die Gerichte in einer Demokratie.

Die Idee hinter der Gewaltenteilung ist, dass sich die Gewalten gegenseitig kontrollieren und es so zu keiner absolutistischen Herrschaft oder Machtmissbrauch kommt.

Durch regelmäßig stattfindende Wahlen legitimiert das Volk das Parlament und die Regierung. Diese Wahlen müssen dabei frei stattfinden, das heißt jeder Mensch kann „wählen, was er will“.

Die Realität im Nahen Osten

In den autoritären Regierungen, die nach den Umstürzen in der arabischen Welt an die Macht gekommen sind, wurden die Regierungen nicht gewählt, sondern sind durch Putsche (Staatsstreiche) an die Macht gekommen.

Auch in den Ländern, in denen es Parlamente gab, wurden die Abgeordneten oft nicht durch das Volk bestimmt. Die Abgeordneten stammten vielmehr aus einer Einheitspartei, die dem Präsidenten untergeordnet waren. Die Abgeordneten konnten in der Regel nicht wirklich frei über neue Gesetze abstimmen.

Meist wurden andere Parteien sogar verboten, sodass es nur eine Einheitspartei gab.

Man erahnt bereits, dass sich in dieser Konstellation die einzelnen Gewalten wohl kaum gegenseitig kontrollieren konnten. Das Prinzip der Gewaltenteilung hat in vielen jungen Republiken des Nahen Ostens versagt.

Das Parlament, als Legislative, hat eigentlich die Aufgabe über die Gesetzgebung zu entscheiden. In den damaligen autokratischen Regierungen des Nahen Ostens, war die einzige Aufgabe des Parlaments allerdings lediglich die Gesetzesentwürfe „abzunicken“.

Auch die Gerichte (Judikative) waren meist nur Erfüllungsgehilfen des Regimes. Richter, die nicht treu gegenüber dem Regime waren, wurden entlassen. Sondergerichtshöfe und Militärgerichte dienten oftmals dazu, politische Aktivisten zu bestrafen.

Strategien zur Herrschaftssicherung

Es gab in diesen autokratischen Regierungen zwei wichtige Strategien zur Herrschaftssicherung, die die Arbeit der politischen Institutionen maßgeblich bestimmten: Kooptation und Repression.

Kooptation

Nachdem die Wirtschaft in vielen Ländern des Nahen Ostens verstaatlicht wurde, gab es tatsächlich den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung.

Dieser wirtschaftliche Aufschwung erlaubte es den Regimen, ihre eigene Machtbasis in der Bevölkerung zu stärken. Die Bevölkerung nahm ihre neuen politischen Führer als kompetente Führungspersönlichkeiten wahr.

Ehemalige Großgrundbesitzer, die während des Kolonialismus sehr einflussreich gewesen waren, wurden nun enteignet. So wurde deren Einfluss stark verringert und politische Gegner ausgeschaltet.

Besonders die Unter- und Mittelschicht der Bevölkerung erhielt Grundstücke der ehemaligen Großgrundbesitzer. Denn Ziel der neuen Regime war es, den Einfluss von Großgrundbesitzern zu verringern und den Einfluss der Ärmeren Bevölkerung zu stärken.

Es wurde versucht den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen. So sollte die Loyalität der Unter- und Mittelschicht gegenüber ihrer neuen Regierung gesichert werden. Hierzu wurden staatliche Wohlfahrtsleistungen umgesetzt. Grundnahrungsmittel und Energie wurden mit gewaltigen Subventionen verbilligt und auch die Mieten gesenkt.

Diese Konzentration der Regierung auf das Volk wird auch als staatlicher Populismus bezeichnet. Die neuen Regierungen änderten die Besitzverhältnisse massiv. Reichtum der oberen Schichten wurde auf die unteren verteilt.

Es wurde ein großer bürokratischer Apparat errichtet, der die Menschen von dem Staat abhängig machen sollte. Die große Bürokratie der Länder bot den Menschen Gehälter, Pensionen und Vergünstigungen an. Im Gegenzug mussten die Menschen sich allerdings zur politischen Loyalität dem Staat gegenüber verpflichten.

Es kam zu einer Art Tauschhandel: materielle Anreize (Gehälter, günstige Mieten etc.) gegen politische Loyalität. In der Politikwissenschaft wird dieser Tauschhandel Kooptation bezeichnet.

Repression

Menschen der Unter- und Mittelschicht, die treu zu dem neuen Regime standen, hatten in der Regel nichts zu befürchten. Ehemalige Eliten, politische Gegner oder Kritiker allerdings wurden massiv unterdrückt (Repression).

Zum Teil fielen sogar ganze soziale Gruppen der Regierung in Ungnade und wurden politisch verfolgt.

Zur Unterdrückung dieser unliebsamen Menschen wurde besonders das Militär und der Geheimdienst ausgebaut. Schritt für Schritt entstanden Polizeistaaten, welche die Menschen genauestens überwachten.

Beispiele dieser Entwicklungen

Zwei bekannte Staaten im Nahen Osten, die genau diese Entwicklungen durchgemacht haben, waren Syrien (in den 1950er-Jahren) und Ägypten (1960er).

In beiden Ländern kam es zu Militärputschen, um anschließend Republiken auszurufen. Die neuen Regierungen griffen mit der Zeit immer massiver in das gesellschaftliche und politische Leben ihrer Bevölkerung ein.

Die Wirtschaft der Länder wurde verstaatlicht. Anfangs kam es durch die staatlich-gelenkte Industrialisierung zu einem Wirtschaftsaufschwung. Die wachsende Wirtschaft und der höhere Lebensstandard, für die unteren Bevölkerungsschichten, lösten bei vielen Menschen Bewunderung und Wertschätzung für die neuen Regierungen aus.

Es kam sogar zu einer regelrechten Verehrung der charismatischen neuen Präsidenten.

Diese populistischen Regime genossen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Auch wenn die Regierungen äußerst undemokratisch regierten, hatten sie eine breite Legitimation und eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Menschen.

Die änderte sich allerdings in der 1970er-Jahren.

Zusammenbrechen der populistischen Regime

In den 1970er-Jahren begann der wirtschaftliche Aufschwung langsam einzubrechen. Die staatlich gelenkte Industrialisierung schien an Schwung zu verlieren.

Hierdurch blieb den Regierungen weniger Geld übrig und sie sahen sich gezwungen die Wohlfahrtsleistungen für die Unterschichten und der unteren Mittelschicht einzustellen. Subventionen für Grundnahrungsmittel, Strom und Gas waren kaum noch zu finanzieren.

Dieses Zurückfahren der Wohlfahrtsleistungen war für viele Teile der ärmeren Bevölkerung äußerst schmerzhaft. Der Tauschhandel, materielle Anreize gegen politische Loyalität, wurde aufgegeben.

Nun fiel also die ärmere Bevölkerung als Machtbasis weg, da man ihnen nun keine materiellen Anreize mehr bieten konnte. Dann wurde aber eine andere Gruppe, als neue Machtbasis, ins Auge gefasst, die über viel privates Kapital verfügte.

Diese Oberschicht konnte man für die eigenen Interessen einbinden, indem man die verstaatlichte Wirtschaft für private Unternehmer wieder öffnete.

Auch auf Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfond (IFW) wurden die Wirtschaft ein wenig liberalisiert. Denn die Staaten sind durch ihre Wohlfahrtsleistungen und die einbrechende Wirtschaft in Finanzierungsnot gekommen und mussten sich bei beiden Institutionen Geld leihen.

Doch die Regierungen kontrollierten die Öffnung der Wirtschaft weiterhin streng  und hielten sozusagen die „Zügel in ihren Händen“.

Doch die sich langsam privatisierende Wirtschaft war längst nicht für alle Unternehmer geöffnet. Nur Unternehmer, die das Wohlwollen der Machthaber besaßen und sich loyal verhielten, konnten an der Öffnung der Wirtschaft profitieren.

Loyale und gut vernetzte Unternehmer konnten, durch diese Liberalisierung der Wirtschaft, Grundstücke und Fabriken günstig kaufen und profitabel betreiben. Es gab viele Geschäftsleute, die so ihren Reichtum ausbauen konnten.

Es entstand eine neue Bevölkerungsgruppe. Während zuvor die Oberschicht eher unterdrückt wurde, scharrten sich nun Unternehmer um das Regime herum, da sie von der Privatisierung profitieren wollten.

Nun waren nicht mehr länger die unteren Bevölkerungsschichten von dem Regime abhängig, sondern reiche Geschäftsleute. Von den Geschäftsleuten wurde absolute politische Loyalität erwartet.

Aber auch Politiker konnten sich so bereichern: Indem sie den Unternehmern Grundstücke und Gebäude preiswert zukommen ließen, erhielten diese eine „Provision“ von den Unternehmern.

Es kam zu einem rapiden Anstieg der Korruption!

Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer

Während Geschäftsleute und Politiker zu immer mehr Reichtum kamen, wurde die ärmere Bevölkerung mit einer Verschlechterung ihrer Lebensumstände konfrontiert.

Polizei, Militär und Geheimdienste überwachten die Bevölkerung immer stärker. Auch die Polizeigewalt nahm zu. Es kam zu Folterungen und zur Einschüchterung der Menschen.

Interessanterweise blieben die Grundprinzipien (Kooptation und Repression) die selben, nur der Adressatenkreis hat sich verändert. Nun wurde die reichere Bevölkerung an das Regime gebunden und musste im Gegenzug loyal sein (Kooptation). Auch wurde nicht länger die Oberschicht unterdrückt, sondern nun die Unterschicht und die untere Mittelschicht (Repression).

Öffnung der politischen Strukturen

Mit der Öffnung der Wirtschaft ging auch die Öffnung der Politik einher, wenn auch nur sehr langsam. So wurde aus den Einparteiensystemen Mehrparteiensysteme.

Andere Parteien wurden allerdings durch die Gesetzgebung stark eingeschränkt. Diese durften auf kommunaler Ebene beispielsweise kaum aktiv sein. Schließlich wollte man nicht, dass diese Parteien eine breite Anhängerschaft in der Bevölkerung gewinnen konnten.

Gruppierungen, die nicht als legale Parteien agierten (wie die Muslimbrüderschaft), waren dennoch auf kommunaler Ebene sehr aktiv und konnten so sich so einen großen Rückhalt in der Bevölkerung sichern.

Es kam zu Wahlfälschungen und dem Einsatz von Gewalt in Wahllokalen. So konnten andere Parteien meist nur weniger Sitze im Parlament sichern und hatten praktisch keinen Einfluss auf die Gesetzgebung.

Auch Interessenverbände und Gewerkschaften wurden durch das Regime kontrolliert und konnten so nur sehr bedingt die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.

In einem solchen System gab es natürlich auch kaum Pressefreiheit. Zwar waren Parteiblätter und einige nicht-regierungsnahe Zeitungen erlaubt, doch sorgten Zensur und die Inhaftierung von Journalisten für Einschüchterung.

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