Arabischer Frühling 2011

Der „Arabische Frühling“ 2011

Mit dem sogenannten „Arabischen Frühling“ veränderten sich die politischen Verhältnisse des Nahen Ostens erneut. Die zuerst friedlichen Proteste entfachten einen Flächenbrand, der in Gewalt, Krieg und Zerstörung umschlug.

In diesem Beitrag möchte ich mir die Proteste, die Ursachen und die Akteure in den verschiedenen Ländern ansehen. Wir schauen uns die einzelnen Schauplätze an, wo die Menschen demonstrierten, und wollen herausfinden, ob die Menschen durch die Proteste letztlich mehr Freiheit und Gerechtigkeit erlangen konnten.

Der Auslöser der Proteste

Zu den Ursachen der Proteste kommen wir gleich, aber zunächst wollen wir uns den Auslöser genauer ansehen. Welches Ereignis löste des „Arabischen Frühling“ aus?

Die Proteste nahmen ihren Anfang in Tunesien: Ein 27-Jähriger Gemüsehändler aus Tunesien, Mohammed Bouazizi, fand sich in einer so aussichtslosen Situation wieder, dass er sich mit Benzin übergoss und anzündete. Dieser Selbstmord fand am 17. Dezember 2010 in der westtunesischen Kleinstadt Sidi Bouzid statt.

Durch die modernen Kommunikationsmittel gelangte die Nachricht vom Selbstmord schnell in alle Landesteile Tunesiens. Darauf wurden im ganzen Land Proteste organisiert. Diese nahmen besonders in der Hauptstadt Tunis ein solches Ausmaß an, dass selbst der massive Polizeieinsatz den Protest nicht unterbinden konnte.

Die Sicherheitskräfte weigerten sich gegen die Demonstranten vorzugehen. Der Druck auf den damaligen Präsidenten Ben Ali wuchs. Wenig später am 14. Januar 2011 setzte er sich ins Exil nach Saudi-Arabien ab.

Diese Proteste sind auch unter dem Namen „Jasminrevolution“ bekannt. Jasmin ist die Nationalblume Tunesiens.

Dieser Sturz des Staatspräsidenten, der bereits seit 24 Jahren im Amt war, inspirierte die Bevölkerung im Nahen Osten, selbst für Freiheit und Menschenrechte zu demonstrieren. Besonders der Weste setzte sich für die Protestbewegungen ein. Aber hierzu später mehr.

Die Ursachen des „Arabischen Frühlings“

Nun kennen wir bereits den Auslöser für diese Konflikte, aber noch nicht die dahinter stehenden Ursachen.

Zunächst lässt sich festhalten, dass die Ursachen wirtschaftlicher, politischer sowie auch sozialer Natur waren.

Die Menschen in der Region kämpften für mehr politische Freiheiten. In vielen Staaten konnten die Menschen ihre politischen Rechte, wie Versammlungsfreiheit oder Meinungsfreiheit nicht wahrnehmen. Die Bürger werden von einigen Staaten streng kontrolliert, da die Machthaber Angst davor haben, einer Revolution gegenüber zu stehen.

Besonders die unteren Bevölkerungsschichten wollten es nicht länger mit ansehen, wie sich die herrschende Gruppe selbst bereicherte, während das Gross der Bevölkerung keinen Wohlstandszuwachs erfuhr. Auch die teils weit verbreitete Korruption ist ein Problem.

Viele Menschen haben sich außerdem mehr Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitssystem gewünscht. Auch hier wurden viele notwendige Investitionen von der Regierung zurückgehalten.

Das wohl größte Problem in vielen arabischen Staaten ist allerdings die hohe Arbeitslosigkeit, gerade in der Jugend. Dies hängt mit dem hohen Bevölkerungswachstum als auch mit der wenig wettbewerbsfähigen Wirtschaft zusammen.

Wer glaubt, dass nur minderqualifizierte Arbeitskräfte unter der hohen Arbeitslosigkeit leiden, der irrt. Denn selbst hochqualifizierte Menschen mit einem Hochschulabschluss haben in vielen arabischen Ländern eher schlechte Berufsaussichten. In einem früheren Beitrag habe ich bereits dieses und andere gesellschaftliche Probleme im Nahen Osten behandelt.

Kein Wunder, dass viele junge Leute aus ihrer Heimat fliehen, um nach Deutschland zu kommen und versuchen sich hier eine bessere Zukunft aufzubauen.

Normalerweise nutzten die Regierungen im Nahen Osten Repression, also die Einschüchterung der eigenen Bevölkerung, um Aufstände zu verhindern. Während des „Arabischen Frühlings“ allerdings stießen die Sicherheitskräfte auf Protestanten, die bereit waren sogar ihr Leben zu opfern, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.

Moderne Kommunikationsmittel

Es stellt sich die Frage: Wie konnten sich diese Aufstände in so kurzer Zeit in weite Teile der arabischen Welt verbreiten? Die Proteste begannen zunächst in Tunesien, doch innerhalb weniger Wochen gab weitere Proteste in Libyen, Ägypten, Marokko und zahlreichen weiteren arabischen Ländern.

Der Grund für diese schnelle Verbreitung ist zweifelsohne in den modernen Kommunikationsmitteln von heute zu finden.

Schauen wir uns die jeweiligen Kommunikationsmittel ein wenig genauer an.

Satellitenfernsehen

Im arabischen Raum ist der Sender al-Jazeera weit verbreitet. Dieser berichtete bereits wenige Tage noch dem Selbstmord von Mohammed Bouazizi aus der tunesische Kleinstadt.

Bei vielen Demonstrationen waren die Reporter des Senders live dabei und konnten so die Emotionen der Demonstranten einfangen und in die gesamte Welt tragen. Gerade Bilder und Videos sind ein mächtiges Werkzeug, wenn es darum geht, Menschen zu mobilisieren.

Mobiltelefone und Smartphones

Heutzutage ist es einfach mit Menschen auf der gesamten Welt zu kommunizieren. Auch das Aufnehmen von Fotos oder Videos zu ist einfacher denn je.

Diese Möglichkeiten nutzen natürlich auch die Menschen in der arabischen Welt.  Noch bevor die ersten Reporter der Nachrichtensender vor Ort waren, konnten die Demonstranten mit ihren Handy Fotos und Videos machen und diese verbreiten.

Internet und soziale Netzwerke

Verschiedene Oppositionsgruppen haben schnell die Macht des Internets erkannt und begannen dieses intensiv zu nutzen, um Menschen zu mobilisieren. Besonders die sozialen Netzwerke, wie Facebook, wurden dabei intensiv genutzt.

Facebook bietet seinen Nutzern verschiedene Möglichkeiten, um Inhalte zu verbreiten. So kann ein Beitrag geliked oder geteilt werden. Bei den Protesten in der arabischen Welt führten diese Funktionen dazu, dass sich die Informationen viral verbreiteten.

Selbst junge Leute, die vorher kaum bekannt waren, konnten mit Hilfe des Internets dazu beitragen Tausende von Menschen zu mobilisieren.

Rap- und Hiphop-Songs

Schnell wird noch ein anderes, in der Jugend sehr beliebtes, Medium vergessen: die Musik. Musik, besonders in Form von Rap- und Hiphop-Songs, ist häufig auch ein politisches Statement.

Viele arabische Künstler riefen in ihren Songs zu Protesten gegen die jeweiligen Regierungen auf. Gerade in der Jugend verbreiteten sich diese Songs schnell, auch weil diese Lieder ihnen aus der Seele sprachen.

Der Tunesier Hamada Ben Amor unterstützte mit seinen Songs die Protestierenden. Die Verszeile, „Herr Präsident, Ihr Volk stirbt“, wurde dabei besonders berühmt.

Diese vier Kommunikationsmittel sorgten dafür, dass es zu Protesten in verschiedenen arabsichen Staaten kam. Ab dem 25. Januar 2011 begannen die Proteste in Ägypten, ab dem 12. Februar in Algerien, ab dem 17. Februar in Libyen und ab dem 20. Februar in Marokko.

An diesen Zeitangaben sieht man sehr eindrucksvoll, wie schnell sich diese Proteste in der arabischen Welt verbreitet haben.

Proteste werden häufig von charismatischen Führungspersönlichkeiten geleitet, so beispielsweise in Ägypten unter Gamal Abdel Nasser 1954. Eine solche Führungspersönlichkeit fehlte bei diesen Protesten allerdings. Es ging weniger darum, eine bestimmte Ideologie zu vertreten, sondern mehr darum gegen die Missstände auf die Straße zu gehen.

Wo damals eine Führungspersönlichkeit notwendig war, um einen solchen Protest zu organisieren, nutzten nun die Protestierenden die neuen Kommunikationsmittel, um Menschen zum Protest aufzurufen.

Die häufigsten Forderungen der Demonstranten waren:

  • Mehr Demokratie und Mitbestimmung
  • Freiheit und soziale Gerechtigkeit
  • Weg mit der Korruption
  • Mehr Würde für die Menschen

Doch wer waren die Beteiligten bei den Protesten? Welche Menschen gingen gegen ihre Regierungen auf die Straße?

Wer waren die Protestierenden?

In allen Ländern gab es insgesamt sehr ähnliche Gruppen von Demonstranten, besonders Jugendliche und junge Erwachsende zählten zu den Hauptakteuren bei den Protesten.

In allen arabischen Staaten, in denen es zu Protesten kam, wurden die Proteste hauptsächlichen von jungen Menschen getragen. Da die meisten Gruppen der jungen Leute allerdings kaum organisiert waren, ist der Einfluss dieser Menschen bis heute eher gering.

Eine große Rolle spielen bei den Akteuren der Protestbewegung die sozialen Netzwerke. Über Facebook-Gruppen wurden so häufig Proteste organisiert. Einzig in Libyen spielten Facebook-Gruppen nur eine kleine Rolle.

In Tunesien waren die Gewerkschaften zudem eine wichtige Gruppe, die die Proteste ganz maßgeblich beeinflusste. Gewerkschaften waren außerdem deutlich besser organisiert als viele andere Gruppen von Demonstranten.

Von Beginn an waren auch Menschenrechtsaktivisten vor Ort und unterstützten die Proteste.

Islamisten

Eine weitere wichtige Gruppen von Demonstranten waren die Islamisten. Mitglieder von islamistischen Gruppen sind so letztlich sogar in Ägypten an die Macht gekommen.

Die islamistischen Gruppen hielten sich meist am Beginn der Proteste zurück. Erst in einer etwas späteren Phase engagierten diese sich verstärkt. Bei den anschließenden Wahlen erhielten die islamistischen Parteien allerdings viel Zuspruch in der Bevölkerung.

In Tunesien gewann so die Ennahada-Partei, in Marokko die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung und in Ägypten die Partei der Muslimbrüder zusammen mit der salafistischen Nour-Partei.

Sicherheitskräfte

Nicht zu vergessen sind zudem die Sicherheitskräfte in den jeweiligen arabischen Ländern.

Als die Proteste begannen setzten die Regierungen zunächst die Polizei gegen die Protestierenden ein. Die Polizei war allerdings schnell überfordert mit der großen Anzahl an Demonstranten.

Zur Unterstützung der Polizei wurden dann die Streitkräfte angefordert. Diese sicherten in erster Linien die Regierungsgebäude. Die meisten Militärs lehnten es ab, gewaltsam gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.

Die Militärführung in Tunesien und Ägypten empfand sogar die Forderungen der Bevölkerung als legitim. Mit dieser Stellungnahme der Militärführung stand das Ende des tunesischen Machthabers Ben Ali und des Präsidenten von Ägypten (Mubarak) fest.

In anderen arabischen Ländern, wie zum Beispiel Syrien, waren es besonders desertierte Soldaten, die die Demonstranten unterstützten. Diese ehemaligen Soldaten bildeten die bewaffnete Opposition,

Es gab aber auch Länder, in denen das Militär zur Regierung hielt und versuchte die Demonstrationen gewaltsam aufzulösen, beispielsweise in Libyen.

Die Protestverläufe in den einzelnen Ländern

Die Proteste verliefen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Wir wollen uns im folgenden die Situation bis zum Jahre 2012 ansehen. Die derzeit aktuellen Entwicklungen möchte ich dabei nicht erwähnen, da ich dies in noch kommenden Beiträgen aufarbeiten möchte.

In drei Staaten wurde die Regierung gestürzt. Durch mehrwöchige Proteste in Ägypten und Tunesien, die hunderte Tote forderten, haben es die Demonstranten geschafft die Machthaber vom Thron zu stoßen. In Libyen hingegen sorgte ein acht Monate dauernder Bürgerkrieg für Zehntausende Tote und letztlich der Tötung Gaddafis am 20. Oktober 2011.

Im Jemen stimmte der damalige Präsident Ali Abdullah Saleh im November 2011 vorgezogenen Neuwahlen zu. Am 21. Februar 2012 kam es zu Neuwahlen, doch auch der neugewählte Präsident Mansur al-Hadi konnte keine echten Reformen durchführen.

In Syrien begannen die Proteste im März 2011. Das Regime unter Bashar al-Assad ging gegen die Proteste mit entschlossener Härte vor. Im Januar 2013 sprach die UN von ca. 60.000 Todesopfern. Inzwischen deutlich mehr! Die Arabische Liga begann im November 2011, aufgrund des harten Vorgehens der syrischen Regierung, Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Sanktionen von Seiten des UN-Sicherheitsrates allerdings scheiterten. Denn Russland und China setzten ihr Veto ein, um Sanktionen zu blockieren.

Im Dezember 2011 ließ das Assad-Regime sogar Kommunalwahlen abhalten und organisierte Anfang 2012 eine kleine Verfassungsreform, samt Referendum.

Im April 2012 akzeptierte Assad einen Sechs-Punkte-Friedensplan. Diesen hatte Kofi Annan, der Sondergesandte der UN, für das Land ausgearbeitet. Doch die Hauptforderung der Opposition, nach einem Rücktritt des Präsidenten Assad, wurde nicht erfüllt.

Zahlreiche Mitglieder der Armee desertierten und liefen zur „Freien Syrischen Armee“ über. Die Aufständischen wurden aus dem Ausland dann auch noch mit Waffen beliefert, was den Konflikt zusätzlich eskalieren ließ. Mitte 2012 entwickelte sich ein immer blutiger werdender Bürgerkrieg.

In Bahrain begannen am 14. Februar 2011 friedliche Demonstrationen, der schiitischen Bevölkerung. Anders als in vielen Nachbarstaaten stellen die Schiiten in Bahrain die Bevölkerungsmehrheit dar. Die schiitischen Demonstranten forderten mit ihren Protesten die sunnitische Führung heraus.

Das Königshaus sah seine Macht in Gefahr und rief am 14. März 2011 Truppen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Hilfe. Mit großer Härte wurde gegen die Demonstranten vorgegangen, wobei es zu mindestens 35 Toten kam.

Durch die Demonstrationen wurden verschiedene Reformen in die Wege geleitet. So wurden die Sozialtransfers für bedürftige Familien erhöht. Doch den Demonstranten gingen diese kleinen Reformen nicht weit genug. Sie forderten einen grundlegenden Wechsel der Politik, bei dem die Bedürfnisse der schiitischen Bevölkerung mehr Beachtung finden.

Aus diesem Grund kam es auch danach noch immer zu verschiedenen Protesten, da der Konflikt noch nicht gelöst ist.

In Marokko, Jordanien, Kuwait und im Oman fanden zwar Demonstrationen statt, doch stellten diese keine Gefahr für die Regierungen dar. Die dortigen Regierungen führten trotzdem (zum Teil weitreichende) Reformen durch. In Marokko gab es so beispielsweise eine umfassende Reform der Verfassung.

In den Staaten Mauretanien, Sudan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar gab es nur kleinere Demonstrationen der Bevölkerung.

Im Folgenden wollen wir uns anhand von drei Staaten den exemplarischen Verlauf der Proteste ansehen.

Protestverlauf in Ägypten

In Ägypten begannen am 25. Januar 2011 die sogenannten „Tage des Zorns“ in Kairo. Besonders auf den Tahrir-Platz versammelten sich tausende von Demonstranten und forderten den Rücktritt Mubarak’s. Dieser verkündete am 11. Februar 2011 seinen Rücktritt. Damit endete die Ära des seit 1981 amtierenden ägyptischen Präsidenten.

Nach Mubarak hatte das Militär die Macht übernommen. Es wurde hierzu ein „Höchster Militärrat“ gegründet. Dessen Vorsitz übernahm Mohammed Hussein Tantawi. Dieser leitete allerdings nur sehr zögerlich Reformen ein und geriet aus diesem Grund zunehmend unter Druck. Das Militär spielt seit vielen Jahrzehnten eine große Rolle in Ägypten und besitzt eine große Macht. Dies habe ich bereits in vorherigen Beiträgen erläutert.

Im März wurde dann eine kosmetische Verfassungsänderung in die Wege geleitet. Diese sah vor, dass die Staatssicherheitsbehörde und die langjährige Regierungspartei NDP verboten wurde. Zugleich wurde die Zulassung anderer politischer Parteien erleichtert.

Die Demonstranten forderten aber noch weitreichendere Veränderungen. So sollte beispielsweise der Höchste Militärrat zurücktreten und die politischen Freiheiten der Bürger deutlich erweitert werden. Beide Forderungen erfüllten sich allerdings nicht.

Am 18. November 2011 rief die Protestbewegung zu einer erneuten ägyptischen Revolution auf. Diese verlief teils sehr gewaltsam. Vom November 2011 bis zum Januar des folgenden Jahres konnten zumindest die angekündigten Parlamentswahlen durchgeführt werden.

Die Muslimbrüder traten mit ihrer Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ an. Zusammen mit den Salafisten (Partei des Lichts) konnten sie sich 70 % der verfügbaren Sitze im Parlament sichern. Beide Parteien wurden erst nach der Verfassungsänderung wieder zugelassen und waren zuvor verboten.

Die Wahl eines neuen Präsidenten war für den Mai 2012 angesetzt. Es entbrannte ein Kampf zwischen dem Höchsten Militärrat, dem Parlament und den Muslimbrüder. Der erste Wahlgang fand am 23. und 24. Mai statt, der zweite Wahlgang am 16. und 17. Juni. Letztlich ging der Kandidat der Muslimbrüder mit 52 % der Stimmen als Sieger hervor. Mohammed Mursi wurde der neue ägyptische Präsident.

Mursi trat am 30. Juni 2012 sein Amt an. Schnell begann er damit, Ägypten zu verändern. So wurde der Vorsitzende des Höchsten Militärrates, Tantawi, als Verteidigungsminister abgesetzt. Außerdem hat er Hisham Qandil zum neuen Premierminister ernannt und Kamal al-Ganzuri, der Mubarak treu gewesen war,  entlassen.

Der neue ägyptische Präsident begann außerdem damit, Islamisten in verschiedene zentrale Positionen zu bringen. Dies führte zu Protesten in der säkularen Opposition, welche eine stärke Trennung zwischen Staat und Religion forderte.

Seine erfolgreiche Vermittlung zwischen der Hamas und Israel stärke seine Machtposition im Ausland. Im Inland hingegen musste Mursi aufgrund massiver Proteste sein Verfassungsdekret zurücknehmen, welches ihm zusätzliche exekutive und legislative Kompetenzen gegeben hätte.

Auch wenn er das Verfassungsdekret zurücknehmen musste, so hat er es dennoch geschafft, ein Verfassungsreferendum abzuhalten. Im Dezember 2012 stimmten 64 % der Menschen für den neuen Verfassungstext. Allerdings lag die Wahlbeteiligung gerade einmal bei ca. 30 %. Mit diesem Verfassungsreferendum wurde der Islam in Ägypten gestärkt.

Protestverlauf in Libyen

Seit 1969 war Muammar al-Gaddafi an der Macht in Libyen. Doch am 17. Februar 2011 sollte der Untergang Gaddafis näher rücken. An diesem Tag begannen Proteste in der ostlibyschen Stadt Bengasi. Von örtlichen Sicherheitskräften wurden diese Proteste daraufhin gewaltsam niedergeschlagen.

Dieses Vorgehen gegen die Demonstranten führte zu einer Eskalation, die sich in wenigen Tagen über den gesamten Osten des Landes erstreckte. Diese Region fühlte sich ohnehin schon seit vielen Jahren vom Regime Gaddafi benachteiligt und sah nun die Chance, sich von diesem Regime befreien zu können.

In der Region wurde am 5. März 2011 ein Nationaler Übergangsrat gegründet, der unter der Führung von Mustafa Abd al-Dschalil damit begann, die befreiten Gebiete in Ostlibyen zu verwalten.

Die beiden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates 1970 und 1973 unterstützten al-Dschalil bei seinem Kampf gegen das Gaddafi Regime. Der Nationale Übergangsrat sah sich selbst als berechtigter Vertreter des libyschen Volkes und begann damit, die Regierungsarbeit zu organisieren.

Im Westens Libyens jedoch hatte es Gaddafi noch immer geschafft seine Stellung zu halten. Milizen der Opposition rückten allerdings mit Luftunterstützung der NATO immer weiter vor. Am 20. August 2011 haben die Milizen Tripolis eingenommen und am 20. Oktober Sirte. Sirte war die Heimatstadt Gaddafis wohin er sich zum Schluss zurückgezogen hatte. Dort wurde er noch am selben Tag unter ungeklärten Umständen getötet.

Nach acht Monaten wurde der Bürgerkrieg vom Nationalen Übergangsrat für beendet erklärt. Der Nationale Übergangsrat und die provisorische Regierung waren daraufhin bemüht Neuwahlen zu organisieren. Es sollte ein Nationalkongress mit 200 Abgeordneten gegründet und eine neue Verfassung etabliert werden.

Am 7. Juli 2012 fanden dann Wahlen statt. Die 200 Abgeordneten wählten danach Mohammed al-Magariyaf zum Staatschef, bzw. zum Präsidenten des Nationalkongresses. Al-Magariyaf war lange Jahre eine Exilpolitiker und kehrte mit dem Sturz Gaddafis in seine Heimat zurück.

Mit den Neuwahlen und der Etablierung des Nationalkongresses hatte sich der Nationale Übergangsrat aufgelöst. Aufgabe des Nationalkongresses war es nun, eine neue Regierung zu berufen und eine Verfassungskommission zu bilden.

Mit der Wahl eines neuen Premierministers am 12. September 2012 wurde bereits ein erster Schritt getan, um eine neuen Regierung zu berufen: Mustafa Abu Schaqur wurde neue Premierminister.

Nach dem zerstörerischen Bürgerkrieg war die Hauptaufgabe der neuen Regierung der Wiederaufbau des Landes. Des Weiteren mussten die Milizen entwaffnet und neue Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden.

Protestverlauf in Marokko

Der Machtwechsel in Tunesien und Ägypten erhöhte auch den Druck auf den König Mohamed VI. von Marokko. Dieser begann damit, die Reformen in seinem Land weiter voranzutreiben.

Am 9. März 2011 kündigte er eine umfassende Verfassungsreform an, die besonders auf die Forderungen der Demonstranten, nach Freiheit, Würde und Gerechtigkeit, eingehen sollte.

Am 1. Juli 2011 fand ein Referendum zur neuen Verfassung statt. Die neue Verfassung erweiterte die Rechte des Parlaments und des Regierungschefs und wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. November 2011 erhielt die islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung die meisten Sitze. Dessen Vorsitzender Abdelilah Benkirane wurde daraufhin zum neuen Regierungschef ernannt.

Politische Ergebnisse der Proteste

Auch in diesem Abschnitt beziehe ich mich ausschließlich auf die Lage bis zum Jahre 2012. Die neuerlichen Entwicklungen behandle ich in kommenden Beiträgen.

Die Proteste sorgten für Veränderungen in der politischen Lage. In verschiedenen Ländern (Tunesien, Ägypten, Libyen) wurden neue Verfassungen ausgearbeitet und verabschiedet.

Besonders die Medienwelt einiger arabischer Länder erfuhr einen starken Wandel. In Tunesien und Libyen waren die Medien zum Beispiel lange Zeit staatlich kontrolliert. Nun wurden neue Zeitungen und sogar TV-Kanäle gegründet, um den Menschen unterschiedliche Meinungen anbieten zu können.

Doch leider trügt dieser Schein von Pressefreiheit. So gibt es in Tunesien und Libyen einen Paragraphen, der besagt, dass die „Prinzipien der Revolution“ nicht beschmutzt werden dürfen. In Ägypten beispielsweise wurden mehrere Blogger in Gefängnis gesperrt, weil sie Kritik am Höchsten Militärrat äußerten.

Ethnische und religiöse Gruppen

Die Proteste weckten auch bei verschiedenen Minderheiten in den Ländern die Hoffnung, nun mehr Gleichberechtigung erleben zu dürfen. Im Osten Saudi-Arabiens forderten die Schiiten beispielsweise mehr Rechte. Die Kurden in Syrien und im Nordirak versuchten ebenfalls ihre eigenen Rechte auszuweiten.

Die Christen in Ägypten und im Irak sorgen sich, dass sie als Christen nun weniger Rechte erhalten. Viele von ihnen verlassen das Land, da nun islamistische Regierungen an die Macht gekommen sind.

In Ländern, wie Ägypten, kamen islamistische Parteien an die Macht, weshalb viele Frauenorganisationen Einschränkungen für Frauen befürchteten. In Tunesien hingegen, wo recht fortschrittliche Frauenrechte herrschten, hatten  islamistische Gruppen gegen die Regierungen protestiert und forderten die Wiedereinführung der Scharia. In Libyen, wo die Frauenrechte unter Gaddafi ebenfalls recht gut wäre, scheinen die Frauen immer mehr in der Politik ausgegrenzt zu werden.

Wie hat das Ausland auf die Proteste reagiert?

Die Proteste waren in erster Linie eine innerarabische Auseinandersetzung. In Libyen, Jemen und Syrien allerdings engagierte sich auch das Ausland. So trat der Sicherheitsrat der UN mehrmals zusammen und verabschiedete mehrere Resolutionen.

Die USA und die EU wurden ebenfalls gezwungen eine Position innerhalb dieser Proteste einzunehmen und stellte sich meist auf die Seite der Demonstranten. Auch die Arabische Liga traf sich mehrmals und fällte zentrale Entscheidungen. So half die Arabische Liga der NATO dabei, den Einsatz in Libyen durchzuführen. Libyen wurde aus der Arabischen Liga ausgestoßen und diese stimmte für eine Flugverbotszone über Libyen.

In Syrien wurde die Arabische Liga ebenfalls aktiv. Sie schloss Syrien aus und erhöhte den Druck auf den syrischen Präsidenten Assad.

 

 

Bildquelle: Von Ramy RaoofFlickr: Demonstrators on Army Truck in Tahrir Square, Cairo, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12851187

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