Erster Weltkrieg

Geschichte des Nahen Ostens – nach dem ersten Weltkrieg…

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der osmanische Sultan Oberhaupt der meisten Einwohner des Nahen Ostens und Nordafrikas. Als Kalif war er für viele Einwohner zugleich auch der religiöse Führer.

In dieser Zeit führte ein gemeinsamer Herrscher dazu, dass sich erste Ansätze von arabischen Nationalgefühl entwickelten. Viele Menschen des Nahen Ostens wollten vor allem, dass der Westen ihre Kultur anerkennt. So sollte zum Beispiel das Arabische zur Amtssprache werden.

Ausdehnung des Osmanischen Reiches um 1900
Osmanische Reich um 1900

Ausbruch des ersten Weltkriegs

Dann brach der erste Weltkrieg aus. Die Entente (Großbritannien, Frankreich, Russland) und die Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich) kämpften 1914 bis 1918 gegeneinander.

Der Sultan rief in seiner Funktion als Kalif 1914 zum „Heiligen Krieg“ gegen die Ungläubigen auf. Damit waren besonders Großbritannien und Frankreich gemeint, aber auch Russland.

London war daraufhin auf der Suche nach einer starken Persönlichkeit, welche die Muslime von dem Aufruf des Kalifen abhalten konnte. Diese Persönlichkeit fanden die Briten in Form vom Scherifen Hussein. Er stammte aus der Propheten-Familie der Badi Haschim (Haschimiten).

Unter der Führung des Scherifen sollten die Araber zum offenen Aufstand gegen die Osmanen bewegt werden. Dieser Aufstand brach einige Zeit später, im Juni 1916, aus und konnte die Nachschub- und Verbindungslinie der Osmanen auf der arabischen Halbinsel erheblich beeinträchtigen.

Die Briten versprachen dem Scherifen, als Gegenleistung für die erhebliche militärische Unterstützung, einen unabhängigen arabischen Staat. Dieser sollte nach dem Sieg über die Osmanen aufgebaut werden.

Durch den Aufstand der Araber reichten die Osmanen am 30. Oktober 1918 ihre Kapitulation ein. Die aufständischen Araber freuten sich, denn sie glaubten nun einen eigenen Staat zu erhalten.

Doch kein eigener Staat: das Sykes-Pivot-Abkommen

Großbritannien hatte sich mit Frankreich längst anders geeinigt und die Aufteilung des Osmanischen Reiches beschlossen.

Schon am 16. Mai 1916 einigten sich der britische Diplomat Mark Sykes und sein französischer Kollege George Picot, die arabischen Provinzen des osmanischen Reiches in Form von Einflusszonen untereinander aufzuteilen. Das sogenannte Sykes-Pivot-Abkommen. Hier ein Link zur britisch-französischen Gebietsaufteilung 1916.

Der britische Außenminister Arthur James Balfour erklärte außerdem, dass Großbritannien die Errichtung eines jüdisches Staates in Palästina unterstützen werden. Etwas, was den Araber natürlich ganz und gar nicht gefiel.

Diese beiden Abkommen wurden aber aus einem guten Grund geheim gehalten. Schließlich wurden durch dieses Abkommen alle Zusagen mit den Arabern gebrochen!

Voll Dreistigkeit hatte die britische Regierung, gemeinsam mit der Französischen, eine Erklärung abgegeben, die den „von den Türken unterdrückten Völkern“, nach dem Sieg über das Osmanische Reich, Souveränität zugestand.

Interessanterweise sorgte die Oktoberrevolution in Russland 1917 dafür, dass die britisch-französischen Geheimpläne enthüllt wurden. Denn die Bolschewiken wollten die „verbrecherischen“ Pläne des gestürzten Zaren und seiner „imperialistischen Helfershelfer“ offenbaren.  So öffneten die Bolschewiken die geheimen Staatsarchive.

In den geheimen Archiven fanden sie dann eine Kopie des Sykes-Picot-Abkommens, welches im Januar 1918 an die Öffentlichkeit gelangte.

Marionetten-Regierungen

Doch die Neuigkeit von dem Sykes-Picot-Abkommens gelangte damals nicht allzu schnell in den Nahen Osten. Schließlich gab es nur ein schlecht ausgebautes Kommunikationsnetz.

Faisal, der Sohn des Scherifen Hussein, hatte im Oktober 1918 noch keine Kenntnis von dem Abkommen. Zu dieser Zeit marschierte er mit seinen arabischen Truppen und der verbündeten britischen Orientarmee in Damaskus ein.

Nach der Einnahme wollte er Damaskus zur Hauptstadt, des nun zu errichtenden arabischen Reiches, machen. Am 5. Oktober 1918 ernannte er einen Direktorenrat. Dieser Direktorenrat war praktisch eine provisorische Regierung.

Nach dem Sykes-Picot-Abkommens wurde Syrien Frankreich zugesprochen. Am 22. Oktober 1918 zogen sich die britischen Truppen also aus Syrien zurück. Mit dem Rückzug der britischen Truppen kamen jetzt allerdings die französischen Soldaten.

Am 1. November 1919 war der Aufbau französischer Soldaten in Syrien abgeschlossen. Nun musste Faisal und seine arabische Nationalbewegung einsehen, dass sie von den Briten betrogen wurden.

Die arabische Nationalbewegung befürchtete nun eine europäisch-westliche Regierung, welche die osmanische Herrschaft ersetzen sollte.

Eine solche Regierung lehnten die Bewohner des gesamten Nahen Ostens strikt ab. Es kam zu Protesten in der gesamten arabischen Welt. Im Irak, Syrien, Ägypten bis Marokko kämpften die Menschen gegen die koloniale Unterdrückung.

Zwar konnten die Franzosen und Briten diese Proteste zunächst blutig niederschlagen, doch mussten sie einsehen, dass sie jegliches Vertrauen der Menschen in der Region verspielt hatten.

Die Unruhen in der Region, die Machtübernahme Lenins in Russland und die Anstrengungen des US-Präsidenten Woodrow Wilson gegen koloniale Bestrebungen, brachten Paris und London zum Einlenken.

Am 20. April 1920 wurden in San Remo Mandate verhandelt, welche die Unabhängigkeit der Länder vorbereiten sollten. Durch diese Mandate erfolgte eine Aufteilung Syriens in die folgenden drei Teile:

  • Palästina,
  • Libanon
  • Rest-Syrien

Palästina fiel, genauso wie die nördlichen Teile des Iraks, unter das britische Mandat. Rest-Syrien und Libanon befanden sich unter französischen Einflusses.

Für Faisal blieb in dieser Konstellation aber leider kein Platz. Am 28. Juli 1920 verlor er südlich von Damaskus gegen französische Truppen und floh daraufhin ins italienische Exil.

Einige Zeit später, am 21. August 1921 ernannte London Faisal zum König des Irak. Während Faisal zum König des Irak ernannt wurde, machten die Briten seinen Bruder Abdullah zum Herrscher über Transjordanien.

Ihr Vater, Scherif Hussein, musste vor dem Begründer des modernen Saudi-Arabiens kapitulieren. Ibn Sa’ud konnte seine Herrschaft gegen Scherif Hussein verteidigen.

Faisal und Abdullah waren aber nicht mehr als Marionettenregime, die sich der britischen Regierung unterzuordnen hatten.

Der Irak und Ägypten erreichten durch solche Marionettenregime zwar eine formelle Unabhängigkeit bereits vor dem zweiten Weltkrieg, doch tatsächlich waren sie keine unabhängigen Staaten.

Islamismus oder Nationalismus

Das Osmanische Reich galt lange Zeit als Beispiel dafür, dass der Islam ein überlegener Glaube sei. Viele Jahrhunderte florierte das Osmanische Reich und konnte sich enorm ausbreiten.

Doch im 19. Jahrhundert wurde deutlich, dass der Westen (besonders Europa) der islamischen Gesellschaft deutlich überlegen war. Wirtschaftlich, technologisch, militärisch und wissenschaftlich war Europa der Gesellschaft des Osmanischen Reiches deutlich voraus.

Die Menschen im Nahen Osten fragten sich, wie es dazu kommen konnte. Schließlich war der Nahe Osten im Mittelalter die führende Kultur in zahlreichen Bereichen. Im 19. Jahrhundert allerdings geriet die Region immer mehr ins Hintertreffen.

Viele Gläubige erklärten diesen Phänomen damit, dass die Menschen die Wurzeln des Islam vergessen haben. Zudem übernahmen sie islamfremde Elemente aus anderen Kulturen.

Solche Mahnungen von Gläubigen kennt man nicht nur aus dem Islam, auch Gläubige des Christentums waren in Vergangenheit Veränderungen gegenüber wenig aufgeschlossen und verbreiteten schnell das Ende der Welt.

Die Meinung, dass man sich wieder auf die Wurzeln des Islam besinnen müsse, fand in Teilen der Bevölkerung viel Zustimmung.

In Saudi-Arabien konnte sich so der Wahhabismus entwickeln, der auch heute noch Staatsreligion des Landes ist.

Weiter im Westen, in Libyen, prägte Mohammed as-Senussi das Land. Er gründete 1837 die Bruderschaft Senussija, welche seit dem den Islam in Libyen prägt.

Der Wahhabismus, wie auch die Bruderschaft Senussija, forderten die Rückkehr zum Ur-Islam. Der Islam sollte so gelebt werden, wie zu Zeiten des Propheten und der ersten vier Kalifen.

Andere Gelehrte, wie Gamal ad-Din al-Afghani und Mohammed Abduh, bauten zwar auf diese Vorstellung auf, entwickelten sie aber noch weiter.

Ihrer Meinung nach war der Grund, warum die islamische Gesellschaft dem Westen hinterherhinkte, die Nachahmung des Gewohnten, der alten Traditionen.

Man sollte die Dinge im Islam nicht einfach unkritisch übernehmen, sondern hinterfragen und Neuinterpretieren. Während es Leuten, wie al-Afghani und Abduh, darum ging des Islam zu reformieren und an die neue Realität anzupassen, lehnten dies as-Senussi und der Wahhabismus strikt ab.

Zwischen den beiden Extremen der Reformer und ultra-konservativen trat Raschid Rida (1865-1935) auf die Bildfläche. Nach seinen Erfahrungen mit dem Kolonialismus, war er der Meinung, dass nur ein islamisches politisches System in der Lage sei die Probleme der Muslime zu lösen.

Mit dieser Idee legte er den Grundstein für den politisches Islam.

In der Bevölkerung fand seine Idee durchaus Anhänger, denn es gab viele Menschen, die glaubten, dass der Islam politischer werden und sich an die heutige Zeit anpassen sollte.

Im Koran wird von der Errichtung einer „gerechten islamischen Ordnung“ gesprochen. Diese Ordnung sollte nicht länger eine Utopie darstellen, sondern Realität werden.

Auch Hassan al-Banna vertrat diese Meinung, als er 1928 die Muslimbruderschaft gründete.

Nationalismus im Kampf gegen den Kolonialismus

Besonders aber der arabische Nationalismus bestärkte den Kampf gegen die kolonialistischen Bestrebungen Europas.

Die Kolonialmächte zogen willkürliche Grenzen und erschufen damit neue Territorialstaaten auf dem Land des ehemaligen Osmanischen Reiches. Bei dieser Grenzziehung wurden regionale Gruppen und Gesellschaften nicht beachtet, was natürlich die Gründung eines funktionierenden Staates kaum möglich machte.

Viele Araber träumten von einem großen gemeinsamen und souveränen arabischen Staat. Doch die willkürliche Grenzziehung förderte einen regionalen Nationalismus. So bildete sich besonders in Ägypten, Syrien und Algerien eine Nationalistische-Bewegung.

Die Kolonialmächte halfen außerdem regionalen Eliten an die Macht. Diese neuen Machthaber hatten natürlich kein Interesse daran, ihre Macht für einen neuen gemeinsamen arabischen Staat aufzugeben.

Die von London und Paris an die Macht gebrachten Eliten, wollte ihre Macht festigen und förderten den Nationalismus, anstatt die Idee eines großen arabischen Reiches.

Zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg kam es so zu zwei wichtigen Einstellungen in der arabischen Bevölkerung.

Erstens stieg der Westen (besonders die Kolonialmächte) zum Feindbild Nummer eins auf.

Zweitens kämpften die Araber nicht mehr um einen großen arabischen Staat, sondern um ihre regionale Unabhängigkeit Ihres Staates, dessen Grenzen allerdings von den Kolonialmächten gezogen wurden.

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